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die frühen jahre. mart stam, das institut und die sammlung industrielle gestaltung 
Donnerstag 25. März 2021 bis Montag 30. August 2021
Ausstellung im Werkbundarchiv – Museum der Dinge in Berlin

Kuratierung und Projektleitung: Prof. Cornelia Hentschel
Ausstellung der Stiftung Industrie- und Alltagkultur
in Kooperation mit dem Werkbundarchiv – Museum der Dinge, gefördert
 vom Hauptstadtkulturfonds.

Mart Stam (1899–1986) zählte zu den bedeutendsten Architekten und Formgestaltern der internationalen Avantgarde. Er entwarf im Rahmen der Bauausstellung des Deutschen Werkbunds für den Stuttgarter Weißenhof einen Reihenhaustyp, zu dessen Innenausstattung ein hinterbeinloser Kragstuhl gehörte, der Prototyp des berühmten Freischwingers. Diese »Stilikone« wird in mehreren Varianten bis heute produziert und nachgeahmt.
Stam unterrichtete am Bauhaus in Dessau und projektierte in der »Brigade May« in den frühen 1930er Jahren Städte in der Sowjetunion. Nach Kriegsende ging er in die SBZ/DDR, wurde dort 1948 Rektor sowohl der Hochschule für Werkkunst als auch der Akademie der Bildenden Künste in Dresden, im Anschluss daran 1950 Direktor der Hochschule für angewandte Kunst in Berlin-Weißensee. Dort gründete und leitete er das Institut für industrielle Gestaltung.

Das Institut wird von Stam als zentrale Entwurfs-, Lehr- und Forschungseinrichtung der Hochschule und als Basis einer programmatischen Ausbildung von Industrie-Entwerfer*innen konzipiert. In den Werkstätten und Ateliers des Instituts entwirft Mart Stam mit wenigen Mitstreiter*innen modern gestaltete Produkte, die sich für eine serielle Produktion eignen. Die beteiligten Entwerfer*innen suchen nach der „Endform, der letzten Form, dem letzten Resultat und der letzten Wahl aus einer ganzen Reihe von Versuchen – der industriellen Form“ (Stam).

Mit leidenschaftlichem Engagement entstehen Entwürfe, Modelle und Produktmuster für Hotel- und
Tafelgeschirr, Mehrzweckgefäße,  Spielzeuge, Leuchten, Elektrogeräte, Heizkörper.
Dabei beeindruckt die Sensibilität, Experimentierfreudigkeit und Sorgfalt, mit der jedes Produkt ausgefeilt, korrigiert und in immer neuen Varianten weiterentwickelt wird. Die keramischen Objekte und die zeichnerischen Entwürfe bilden den Grundstock der heutigen Sammlung industrielle Gestaltung. Im Bestand der von Mart Stam begründeten Sammlung  befinden sich etwa 45 ausgeführte Modelle, 90 Entwurfszeichnungen sowie 65 Lichtpausen. Die wenigen Handskizzen unter den Entwurfsblättern stammen von Mart Stam, Marianne Brandt und Max Gebhard.

Von Anfang an tritt das Institut auch mit einem durchgestalteten Erscheinungsbild auf, das vom Signet über das gestempelte Schriftfeld bis zum Layout des vorgedruckten  Zeichenbogens reicht. Mitarbeiter*innen wie Marianne Brandt, Albert Krause, Lieselotte Kantner, Max Gebhard und Gertraud Bonk entwickeln Produktentwürfe für die serielle Fertigung.

Mit Produkten, die einfach, funktional, dauerhaft und egalitär konzipiert sind, soll der Grundbedarf einer sozialistischen Gesellschaft gedeckt werden.

Das Institut installiert künstlerische Begutachtungsverfahren in der Industrie und berät private und verstaatlichte Betriebe bei der Bereinigung ihrer Produkt-Palette.
Bald als »bürgerlicher Formalist« stigmatisiert, verließ Stam die DDR
Ende 1952 und kehrte nach Holland zurück.

Das Institut für industrielle Gestaltung wird am 1. Juli 1952 zum Institut für angewandte Kunst, zugleich von der Hochschule abgetrennt und direkt der zentralen Staatlichen Kommission für Kunstangelegenheiten (Stakuko) des Ministerrates der DDR unterstellt. Unter dem Grafiker und  Kulturfunktionär Walter Heisig erfolgen scharfe Kurskorrekturen weg vom funktionalen Massenprodukt hin zum verzierten Einzelstück, zur Handwerkskunst, zu Volkskunst-Stickereien, Schnitz- und Klöppelarbeiten, zu Muster und Dekor-Entwürfen. Die sachlich gestalteten Objekte der internationalen Moderne in reduzierter, funktionaler Formensprache und mit undekorierten glatten Oberflächen werden zum Feindbild. Heisig verkündet: „Ein Besteck ohne Ornament ist Formalismus.“ Das Institut reiht sich so in die Kulturpolitik der DDR unter Walter Ulbricht ein. Deren zentrale Parole lautet: „nationale Tradition“.
Mitte der 1950er Jahre kommen von Architekt*innen und Formgestalter*innen in der jungen DDR erneut Signale des Wandels. Die Ökonomie der Herstellungsprozesse erfordert und forciert industrielles Bauen und Massenproduktion. Die Industrie-Entwerfer*innen am Institut für angewandte Kunst drängen hin zur modernen Formgebung. Sie schreiben die funktionale Gestaltungsprogrammatik von Mart Stam fort und greifen teilweise unmittelbar auf Ideenskizzen und Entwürfe der ersten Jahre zurück. Sichtbar wird das zum Beispiel an den Arbeiten von Margarete Jahny und  Hans Merz. Beide haben noch bei Mart Stam studiert.

  

Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Außenschild an der Kulturbrauerei bis 2005, Metall, Signet unter Verwendung des Motivs einer Faltgrafik des konstruktivistischen Künstlers Hermann Glöckner. Sammlung industrielle Gestaltung, HdG. Foto: Johannes Kramer
Abb. 2: Signet des Institut für industrielle Gestaltung. Entwurf: vermutlich Mart Stam.
Quelle: Bundesarchiv, Signatur DH2-22190
Abb. 3: Hochschulstuhl/Atelierstuhl Institut. Entwurf: Mart Stam, 1949/1950. Herstellung: Metallbau Halberstadt, DDR. Sammlung industrielle Gestaltung, HdG. Foto: Johannes Kramer
Abb. 4:
Stapeltasse,
Entwurfsskizze: Mart Stam, Institut für industrielle Gestaltung. Sammlung industrielle Gestaltung, HdG. Foto: Johannes Kramer
Abb. 5: Entwurfszeichnung Stapelkännchen von Albert Krause, Institut für industrielle Gestaltung, 1950. Sammlung industrielle Gestaltung, HdG. Foto: Johannes Kramer
Abb. 6:
Kaffeekanne, Entwurf: unbekannt, 1951, Institut für industrielle Gestaltung. Sammlung industrielle Gestaltung, HdG. Foto: Johannes Kramer
Abb. 7: Mechanisches Schiebspielzeug: Zwei Radfahrer, Entwurf: Max Gebhard, 1951/52, Institut für industrielle Gestaltung, Rekonstruktion Peter Hipp 1986. Sammlung industrielle Gestaltung, HdG. Foto: Johannes Kramer
Abb. 8: Hammer des Präsidenten der DDR-Volkskammer, Entwurfszeichnungen: Marianne Brandt, 1951, Institut für industrielle Gestaltung. Sammlung industrielle Gestaltung, HdG. Foto: Johannes Kramer
Abb. 9: Kofferradio, Foto eines Modells für Kofferradio PUCK, Entwurf: Albert Krause, 1951, Institut für industrielle Gestaltung. Nachlass Albert Krause, Fam. Krause Halle (Saale). Foto: o.A.
Abb. 10: Drehbare Wandleuchte für direktes und indirektes Licht, Entwurfszeichnung: Albert Krause, 1951, Institut für industrielle Gestaltung. Industriemuseum Chemnitz. Foto: Armin Herrmann
Abb. 11:
Stehauf- und Kreiselpuppen, Holzmodelle, Entwurf: Ingeborg Schmidt, 1957, Institut für angewandte Kunst. Sammlung industrielle Gestaltung, HdG. Foto: Johannes Kramer
Abb. 12: Vasen, Foto von 2 Vasen aus Steinzeug, hellelfenbein und schwarz, Entwurf: Lieselotte Kantner, 1952. Sammlung industrielle Gestaltung, HdG. Foto: Franziska Adebahr
Abb. 13:
Isolierkannen ALFI 0,75 Liter, Entwurf: Margarete Jahny, 1959, Institut für angewandte Kunst, Herstellung: VEB Aluminiumwarenfabrik Fischbach (Rhön). Industriemuseum Chemnitz. Foto: Armin Herrmann

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AUSSTELLUNG UND PUBLIKATION
“die frühen jahre. mart stam, das institut und die sammlung industrielle gestaltung” 
Geplante Laufzeit der Ausstellung vom 25. März 2021 bis 02. August 2021
im Werkbundarchiv – Museum der Dinge in Berlin

Die Ausstellung „die frühen jahre. mart stam, das institut und die sammlung industrielle gestaltung“ soll nach mehrmaliger Verschiebung in der Zeit vom 25. März 2021 bis 02. August 2021 für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Wir hoffen, dass der Termin gehalten werden kann, letztlich sind wir von der Pandemieentwicklung und deren Folgen abhängig.
Die begleitende und gleichlautende Publikation, herausgegeben von Cornelia Hentschel, Walter Scheiffele, Jens Semrau im Auftrag der Stiftung Industrie und Alltagskultur (Hg.) anlässlich des 30jährigen Gründungsjubiläums der Stiftung, liegt bereits vor und ist bei der Stiftung Industrie- und Alltagskultur, im Buchhandel sowie beim LUKAS Verlag zu erwerben
 (ISBN 978-3-86732-377-2, Preis 36,– €).
Ausstellungsbegleitband mit Beiträgen von Hildtrud Ebert, Renate Flagmeier, Thomas Flierl, Cornelia Hentschel, Hein Köster, Ann Kristin Kreisel, Werner Möller, Walter Scheiffele und Jens Semrau.
Lukas Verlag,
ISBN 978-3-86732-377-2,

Januar 2021,
Klappenbroschur, 22 × 29 cm,
220 Seiten,
228 teils farbige Abbildungen

€ 36,00.

Die Ausstellung DIE FRÜHEN JAHRE. MART STAM, DAS INSTITUT UND DIE SAMMLUNG INDUSTRIELLE GESTALTUNG thematisiert die  Aufbruchsphase der industriellen Gestaltungskultur in der DDR und insbesondere zur Arbeit Mart Stams für eine konsequente Modernisierung der Produktwelt und die institutionelle Förderung einer neuen Industriekultur. Um 1950 bestanden innerhalb einer durch Kriegsfolgen bedingten Mangelwirtschaft vielerlei Gestaltungsintentionen, Produktformen, Entwicklungsstadien nebeneinander. Die Klarheit der Ansätze Stams und seines Kreises steht erkennbar für sich. Das Institut für industrielle Gestaltung prägte in der kurzen Zeit seines Bestehens von 1950 bis 1952 mit seiner starken Ausrichtung auf eine industrielle, funktions- und technologiegerechte, gleichzeitig gediegene und bescheidene dauerhafte Gestaltung von Alltagsgegenständen maßgeblich das ostdeutsche Produktdesign, nachwirkend bis in die späten Jahre der DDR. Die Ausstellung wird die konfliktreichen kulturpolitischen Verhältnisse und das Nebeneinander von modernen und weniger modernen Gestaltungstendenzen verdeutlichen.
Buchtitel, Layout: Grafisch, Berlin 2020. Abb.: Entwurfszeichnung Stapelkännchen von Albert Krause, Institut für industrielle Gestaltung, 1950; Signet des Institutes für industrielle Gestaltung.

Das Kooperationsprojekt wird vom Hauptstadtkulturfonds gefördert.
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VERSCHOBEN!!
DIE FRÜHEN JAHRE. MART STAM, DAS INSTITUT UND DIE SAMMLUNG INDUSTRIELLE GESTALTUNG
Eröffnung am 21. Januar 2021 im Werkbundarchiv – Museum der Dinge in Berlin

Ab 21. Januar 2021 zeigen wir in den Räumen des Werkbundarchiv – Museum der Dinge die Sonderausstellung DIE FRÜHEN JAHRE. MART STAM, DAS INSTITUT UND DIE SAMMLUNG INDUSTRIELLE GESTALTUNG zur Aufbruchsphase der industriellen Gestaltungskultur in der DDR und insbesondere zur Arbeit Mart Stams für eine konsequente Modernisierung der Produktwelt und die institutionelle Förderung einer neuen Industriekultur. Um 1950 bestanden innerhalb einer durch Kriegsfolgen bedingten Mangelwirtschaft vielerlei Gestaltungsintentionen, Produktformen, Entwicklungsstadien nebeneinander. Die Klarheit der Ansätze Stams und seines Kreises steht erkennbar für sich. Das Institut für industrielle Gestaltung prägte in der kurzen Zeit seines Bestehens von 1950 bis 1952 mit seiner starken Ausrichtung auf eine industrielle, funktions- und technologiegerechte, gleichzeitig gediegene und bescheidene dauerhafte Gestaltung von Alltagsgegenständen maßgeblich das ostdeutsche Produktdesign, nachwirkend bis in die späten Jahre der DDR. Die Ausstellung wird die konfliktreichen kulturpolitischen Verhältnisse und das Nebeneinander von modernen und weniger modernen Gestaltungstendenzen verdeutlichen.
Abb.: Entwurfsarbeiten für keramische Erzeugnisse, entstanden zum überwiegenden Teil unter der Leitung von Mart Stam.
Foto: Franziska Adebahr.
 
Das Kooperationsprojekt wird vom Hauptstadtkulturfonds gefördert.
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Kunstsammlungen Chemnitz beschließen den Erwerb der Sammlung Prof. Karl Clauss Dietel

Die Stiftung Industrie- und Alltagskultur konnte im Kontakt mit der Oberbürgermeisterin in Chemnitz die Übernahme der Sammlung Dietel aktiv unterstützen. So schreibt Karl Clauss Dietel am 27.12.: „… großen dank … der STIFTUNG für die unterstützung durch euren brief an unsere OB wegen überlassung meiner sammlung. das hat nun endlich ein gutes ende gefunden, kurz vor weihnachten unterschrieb ich den vertrag dazu bei den kunstsammlungen….“

Aus der Begründung des Kulturauschusses Chemnitz vom 26.9.2019, sinngemäß wiedergegeben:
Prof. Karl Clauss Dietel gehört zu den bekanntesten und wichtigsten deutschen Formgestaltern. Er entwarf beliebte und heiß begehrte DDR-Klassiker, wie die SIMSON MOCKICKS S 50/51 und den SIMSON-ROLLER SR50 zusammen mit Lutz Rudolph. Dietel entwickelte den GRUNDENTWURF für den WARTBURG 353 und mit Lutz Rudolph die INNENGESTALTUNG. Für die Sachsenring Automobilwerke Zwickau/Automobilwerk Eisenach gestalteten Dietel und Rudolph sieben TRABANT-NACHFOLGEENTWÜRFE. Auch ihre HELIRADIO-Rundfunkgeräte sind heute zu Design-Klassikern avanciert. Auf Karl Clauss Dietel gehen sämtliche Entwürfe der ERIKA-SCHREIBMASCHINEN zurück. Als führender Formgestalter erhielt Dietel 2014 den Bundesdesignpreis für sein Lebenswerk. Dietel habe, so die Jury, die ostdeutsche Designentwicklung bis zur Jahrtausendwende maßgeblich mitgeprägt.

Dietel nahm an zahlreichen (inter)nationalen Ausstellungen teil und wurde mit vielen Preisen und Ehrungen bedacht. Der Hauptteil seiner freien künstlerischen Arbeiten findet sich in Chemnitz im öffentlichen Raum, u.a. vor dem Sächsischen Industriemuseum, in der Oper, am Grab von Marianne Brandt und am Haus des Schriftstellers Stefan Heym, um nur einige Standorte zu nennen. Seine Designklassiker sind in bedeutenden Museen deutschlandweit vertreten, wie der Pinakothek der Moderne in München, dem Haus der Geschichte in Bonn, dem Kunstgewerbemuseum Dresden, dem Grassi Museum für Angewandte Kunst in Leipzig, der Sammlung für Industrielle Gestaltung Berlin oder dem Museum August Kestner in Hannover.   

Die Kunstsammlungen Chemnitz sichern mit dem Erwerb die außerordentliche Sammlung Dietel als herausragendes Konvolut der Designgeschichte für die Stadt und die Region. Mit der Übernahme verbindet sich das Ziel, neben den Prototypen und Modellen insbesondere auch das zeichnerische Œuvre zusammen mit dem Gestalter zu dokumentieren. Karl Clauss Dietel, der am 10. Oktober 2019 seinen 85. Geburtstag beging, ist vital daran interessiert, seine Sammlung in »gute Hände« und »kommentiert“ zu übergeben.  Für die Kunstsammlungen Chemnitz und das Sächsische Industriemuseum wird mit dem kommentierten Erwerb der Sammlungsbestand im Bereich Design und industrielle Formgestaltung der DDR und darüber hinaus entschieden und profilbildend gestärkt.  
Die Sammlung Dietel soll in den Museen der Stadt Chemnitz dauerhaft präsentiert werden sowie für (inter-)nationale Ausstellungsvorhaben und Forschungen zur Verfügung stehen.

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25.11.2013

Am 16. November 2013 eröffnete die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland die Dauerausstellung Alltag in der DDR in der Berliner Kulturbrauerei. Wir, die Stiftung Industrie- und Alltagskultur, nimmt hiermit zu Ort und Inhalt der Ausstellung wie folgt Stellung:

Ein offener Missbrauch des Gebäudes und der Sammlung industrielle Gestaltung

Am 15. November 2013 hat die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn (HdG) in Berlin das Museum auf der Kulturbrauerei mit der Ausstellung „Alltag in der DDR“ neu eröffnet. Freilich wird dabei unterschlagen, dass hier seit Ende 1993 die Sammlung industrielle Gestaltung residierte, zahlreiche Ausstellungen und Veranstaltungen durchführte und Schritt für Schritt das Gebäude sanierte.

Das Gründungsdokument dieser in Deutschland einzigartigen Objektsammlung zur Designgeschichte von SBZ und DDR (einschließlich einer Designfotothek und der fachwissenschaftlichen Bibliothek) schrieb 1950 der niederländische Architekt, Formgestalter und Bauhäusler Mart Stam – damals Direktor der „Hochschule für angewandte Kunst“ in Berlin-Weißensee. Über alle Anfeindungen und Widrigkeiten im politischen System der DDR hinweg ist die „Mustersammlung hervorragender deutscher Industrieerzeugnisse“ schließlich im Amt für industrielle Formgestaltung (AiF) auf- und ausgebaut worden. 1990 wurde das AiF und somit auch die Sammlung industrielle Gestaltung vom Bundeswirtschaftsministerium abgewickelt; die gesamten Bestände der Sammlung einschließlich Bibliothek und Fotothek sollten dem Rat für Formgebung in Frankfurt/a.M. übertragen werden. Andere Institutionen und Museen meldeten ebenfalls Begehrlichkeiten an. Diese Bestrebungen konnten mit Unterstützung der Stiftung Industrie- und Alltagskultur erfolgreich abgewehrt werden und die Rettung der Sammlung industrielle Gestaltung als eigenständiges Museum der Formgestaltung der SBZ und DDR mit Standort Berlin und deren erfolgreiche öffentliche Präsentation in 20 themenbezogenen, fachlich anspruchsvollen Ausstellungen im eigenen Haus (siehe https://www.stiftung-industrie-alltagskultur.de/sammlung-industrielle-gestaltung/ausstellungen/) gesichert werden.

Die Stiftung Industrie- und Alltagskultur als Förderinstitution der Sammlung industrielle Gestaltung gehörte zu den Initiatoren der Gründung der Kulturbrauerei gGmbH. Es gelang der Stiftung, für die Sammlung den gesamten, damals desolaten Nordflügel der alten Brauerei sowie noch bereitzustellende Flächen auf dem Gelände für Depotzwecke mietvertraglich zu sichern, und zwar zu äußerst günstigen, bis Ende 2011 fortgeltenden Mietkonditionen. Zwischen 1993 und 2001 war die Stiftung als Bauherr für alle Rekonstruktionsmaßnahmen und den sukzessiven Ausbau der Museumsräume tätig. Das Museum verfügte 1994 über 200 qm, dann über 500 qm und ab 2001 über 850 qm Ausstellungsfläche.

Seit Übernahme der Gebäude der Sammlung industrielle Gestaltung durch das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn am 1. Juli 2005 wurden in den Räumen der Sammlung keine Ausstellungen mit Beständen der Sammlung mehr gezeigt. Die eigenständige Existenz der Sammlung wurde von nun an fortlaufend sowohl in struktureller Hinsicht als auch gezielt im Bewusstsein der Öffentlichkeit demontiert. 2011 bereits wird auf der Kulturbrauerei die Beschilderung „Sammlung industrielle Gestaltung“ mit dem Signet von Hermann Glöckner entfernt und die personelle Zuordnung von HdG-Mitarbeitern zur Sammlung Industrielle Gestaltung aufgelöst. Der HdG-Präsident Hans Walter Hütter machte in einem Gespräch am 29.4.2011 mit der Stiftung Industrie- und Alltagskultur deutlich, dass die Bedeutung der Kulturbrauerei für das Haus der Geschichte darin bestehe, dass dieser Standort der offizielle Dienstsitz des Hauses der Geschichte in Berlin geworden sei. Die rechtlich gültige Geschlossenheit der Sammlung industrielle Gestaltung wird heute durch das HdG zunehmend aufgelöst, indem beliebige neuen Objekte ohne Bezüge zur industriellen Gestaltung in SBZ und DDR eingegliedert werden, wie z.B. Styropur-Mauer-Installationsteile, die Ausstellungsobjekte des Tränenpalast etc.. Eine schleichende Aufweichung der einzigartigen Sammlungsthematik, die einer Zerstörung gleichkommt!

Die Eröffnung der Dauerausstellung „Alltag in der DDR“ macht jedermann nun den Grad der öffentlichen  Liquidierung der Sammlung sichtbar: Der kritische Vorab-Artikel der Berliner Zeitung zur Ausstellung „Die Ideologie im Stapelgeschirr“ von Birgit Walter vom 28.10.2013 bewirkte, dass zur Eröffnung der Ausstellung hier deshalb in einer einzelnen Vitrine einige gestaltete Erzeugnisse der DDR auf alten Transportkisten drapiert zu sehen sind, mit denen nun die historisch falsche Sicht verbreitet wird, dass diese Industrieprodukte ausschließlich für den Export bestimmt und nicht für den heimischen Gebrauch verfügbar waren!

Die Ausstellung „Alltag in der DDR“ soll die Auflage des Gedenkstättenkonzeptes vom 19.6.2008 umsetzen, wofür die Bundesregierung erhebliche Fördermittel bereitstellte. Das Gedenkstättenkonzept schrieb fest, dass eine „Dauerausstellung der Sammlung Industrielle Gestaltung in der Kulturbrauerei am Prenzlauer Berg, die die Geschichte der Produkt- und Alltagskultur in der DDR nachzeichnet“, auszurichten ist.
Die Dauerausstellung des HdG zum Alltag in der DDR ist aber weder eine Ausstellung der Sammlung industrielle Gestaltung, noch der Geschichte der Produkt- und Alltagskultur in der DDR. Mit dem omnipräsenten Statement dieser zeitpolitischen Dauerausstellung des HdG, es gäbe „keinen diktaturfreien Raum“, wird jeder fachliche Anspruch im Hinblick auf die weitere dauerhaft-öffentliche Manifestation der  „Sammlung industrielle Gestaltung“ abgewiesen. Durch dieses selbstherrliche Vorgehen wird das einzigartige Konvolut der designhistorischen Sammlung industrielle Gestaltung aus dem öffentlichen Bewußsein ausgelöscht, das Gedenkstättenkonzept der Bundesrepublik umgangen und die denkmalgerecht mit Bundesmitteln rekonstruierten Ausstellungsräume der alten sehenswürdigen Brauerei-Industriearchitektur durch eine mit Ausstellungsstücken heillos überfrachtete Ausstellung zweckentfremdet.

Eine kritische Auseinandersetzung in den Medien hat begonnen.

Ihre Meinung ist gefragt zur Sammlung industrielle Gestaltung, zur Ausstellung „Alltag in der DDR“, zum Umgang mit den Sammlungsgegenständen! Die Teilnahme von Gestaltern und allen interessierten Menschen am Diskurs will die Stiftung Industrie- und Alltagskultur auf ihrer Internet-Plattform www.stiftung-industrie-alltagskultur.de ermöglichen.
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